Die Einsetzung eines Voll- und Schlusserben ist typisch für das Ehegattentestament, genauer gesagt für das Berliner Testament. Damit erbt der überlebende Ehegatte den Nachlass seines verstorbenen Ehegatten allein, bevor die Erbschaft an die Schlusserben geht.
Vollerbe und Schlusserbe – Definition
Die Einsetzung eines Vollerben und Schlusserben erfolgt typischerweise in einem Berliner Testament . Das heißt, die Ehepartner verfügen wechselseitig, dass das Vermögen des erstversterbenden Ehepartners auf den überlebenden Ehepartner übergeht. Dieser ist Alleinerbe. Erst wenn auch der überlebende Ehepartner stirbt, geht die Erbschaft als Ganzes auf die Schlusserben über. Die Schlusserben sind in der Regel die Kinder der beiden Ehegatten. Beispiel: Frank und Sabine Lehmann sind verheiratet. Sie beschließen ein Berliner Testament zu schreiben, in dem sie sich gegenseitig als Vollerben einsetzen und ihre drei Kinder, Daniel, Heike und Matthias, als Schlusserben einsetzen.
Formulierung:
„Wir setzen uns hiermit wechselseitig zu alleinigen Vollerben unseres gesamten Vermögens ein, wenn einer von uns stirbt. Sobald auch der Längstlebende von uns stirbt, sollen unsere Kinder, Daniel, Heike und Matthias Lehmann, als Schlusserben zu gleichen Teilen erben.“
Hintergrund: gemeinschaftliches Testament
Viele Ehepaare wollen sich finanziell absichern, für den Fall, dass ein Ehegatte stirbt. Auch der Gedanke an die gesetzliche Erbfolge bzw. an eine Erbengemeinschaft schreckt viele Eheleute ab. Das deutsche Erbrecht sieht verschiedene Möglichkeiten vor, die Erbschaft in der Familie zu halten und den überlebenden Ehegatten Sicherheit zu geben.
Eine beliebte Variante für Eheleute ist das „ gemeinschaftliche Testament “, auch „ Ehegattentestament “ genannt. In ihm können die Gatten ihre Stellung in der Erbfolge genau regeln. Das meistverbreitete Ehegattentestament ist das sogenannte „ Berliner Testament “.
Ehegatten haben grundsätzlich drei Möglichkeiten für das gemeinschaftliche Testament, wobei jede Möglichkeit dem überlebenden Ehepartner mehr oder weniger Rechte einräumt. Die Eheleute können …
1. sich gegenseitig als Vorerben einsetzen,
2. sich gegenseitig als befreite Vorerben bestimmen, oder
3. sich gegenseitig als Vollerben benennen.
Wichtig in diesem Zusammenhang sind auch folgende verwandte Artikel:
Unterschied: Vollerbe und Schlusserbe – Vorerbe und Nacherbe Vorerbe
Als Vorerbe darf der überlebende Ehegatte nur beschränkt über den Nachlass verfügen. Ein Vorerbe ist automatisch ein sogenannter „ unbefreiter Vorerbe “. Zum Beispiel darf er das geerbte Haus nicht veräußern oder umbauen und hat viele weitere Beschränkungen.
Er ist nur bis zu jenem Zeitpunkt der Verwalter des Nachlasses, bis die Nacherben diesen erben. Das Vermögen des Verstorbenen und das des überlebenden Ehegattens verschmelzen nicht in eine Vermögensmasse. Alles bleibt getrennt. Es herrscht das Teilungsprinzip.
Befreiter Vorerbe
Soll der Vorerbe von Beschränkungen befreit sein, muss man ihn im Testament als „befreiten Vorerben“ bezeichnen. Dieser darf dann das Haus verkaufen, mit einer Grundschuld belasten etc. Er darf jedoch nichts aus der Erbschaft verschenken.
Vollerbe = höchste Entscheidungsfreiheit für den Ehepartner
Die stärkste Position erhält der überlebende Ehegatte, wenn er im Berliner Testament als Vollerbe eingesetzt ist. Verstirbt sein Ehegatte, fällt die Erbschaft ihm als überlebenden Ehegatten zu. Er ist uneingeschränkter Erbe des verstorbenen Ehepartners. Die Kinder (oder andere Dritte) werden als Schlusserben eingesetzt. Sie erben vom überlebenden Ehepartner erst, wenn dieser gestorben ist.
Einheitsprinzip: Als Schlusserben erben die Kinder das gesamte Vermögen, sowohl vom erstversterbenden Ehegatten als auch vom zweitversterbenden Elternteil. Die Vermögensmassen beider Ehepartner verschmelzen in eine einzige Vermögensmasse, die in einem Erbgang an die Schlusserben weitervererbt wird. Hinweis: Am besten steigt der überlebende Ehegatte als Vollerbe aus. Als Vollerbe hat er volle Verfügungsgewalt über den Nachlass. Die Schlusserben können ihm nicht dreinreden – im Vergleich zu einer Vor- und Nacherbschaft.
Vollerbe oder befreiter Vorerbe – Was macht mehr Sinn?
Der befreite Vorerbe ist zwar von vielen Beschränkungen befreit. Er darf zum Beispiel Immobilien verkaufen, Grundstücke mit einer Grundschuld belasten usw. Er darf aber nicht einfach Nachlassgegenstände verschenken, die Kosten für den Erhalt des Nachlasses aus dem Nachlassvermögen bezahlen oder die Erbschaft komplett verkaufen.
Auch darf er die Erbschaft nicht böswillig schädigen. Verlangen die Nacherben ein Nachlassverzeichnis, muss der befreite Vorerbe ein solches erstellen.
Der Vollerbe hingegen kann vollkommen frei über die Erbschaft verfügen.
Unterschied: Vollerbe und Alleinerbe
Um jemanden zum Alleinerben zu machen, muss die Alleinerbschaft in einem Testament oder Erbvertrag klar benannt werden. Gibt es kein Testament, dann gilt die gesetzliche Erbfolge. Auch dann kann es vorkommen, dass jemand Alleinerbe wird, weil keine erbberechtigten Verwandten leben. Der Alleinerbe erbt den ganzen Nachlass der verstorbenen Person mitsamt Schulden.
Auch der Vollerbe ist Alleinerbe. Bloß eine besondere Art Alleinerbe. Er ist in dem Sinn Alleinerbe, als der gesamte Nachlass des verstorbenen Ehegatten erst einmal auf ihn übergeht. Erst wenn auch er verstirbt, geht der gesamte Nachlass auf die Schlusserben über. Dann sind die Schlusserben Alleinerben.
Muster – Formulierung von Voll- und Schlusserben im Berliner Testament
- „Wir, die Ehegatten Maria und Ulrich Spielmann, setzen uns hiermit wechselseitig zu alleinigen Vollerben ein. Unsere Kinder, Svenja und Lars Spielmann, sollen vom Letztversterbenden zu gleichen Teilen erben.“
- „Hiermit errichten wir Ehegatten, Mario und Lena Hoffer, ein gemeinschaftliches Testament und setzen uns gegenseitig als Vollerben ein. Unsere Kinder, Sybille und Thomas, sollen als Schlusserben zu gleichen Teilen erben.“
Achtung: Die Praxis zeigt, dass aus gemeinschaftlichen Testamenten oft nicht klar hervorgeht, ob Vor- und Nacherben oder Voll- und Schlusserben eingesetzt wurden. Passen Sie daher auf die Formulierung exakt auf. Am besten Sie konsultieren einen Anwalt, bevor sie das Ehegattentestament schreiben.
Berliner Testament ohne Schlusserben möglich?
Die Ehegatten können ein gemeinschaftliches Testament bzw. Ehegattentestament auch ohne Einsetzung von Schlusserben schreiben. Sie können sich wechselseitig als alleinige Vollerben des ganzen Nachlasses einsetzen, ohne Schlusserben zu bestimmen.
In diesem Falle kommt nach dem zweiten Erbfall die gesetzliche Erbfolge zur Geltung. Somit erbt der gesetzliche Erbe des zweitversterbenden Ehepartners. Gibt es mehrere Erben, kommt es zu einer Erbengemeinschaft .
Vollerbe, Schlusserbe und Pflichtteil
Stirbt der Erblasser, erbt der Vollerbe den Nachlass alleine. Die Schlusserben sind also erst einmal enterbt. Sind als Schlusserben die Kinder eingesetzt, haben diese beim ersten Erbfall immer einen Pflichtteilsanspruch. Diesen können sie geltend machen.
Aber: Müsste der überlebende Ehegatte den Pflichtteil an die Kinder auszahlen, würde ihn das in seiner finanziellen Freiheit enorm einschränken. Das würde dem Sinn des Berliner Testaments widersprechen. Man stelle sich nur vor, der überlebende Ehegatte müsste eine Immobilie verkaufen oder versteigern, um den Pflichtteil auszahlen zu können. Das könnte ihn in eine schwere finanzielle Notlage bringen.
Ausweg: Wollen die Ehegatten auf Nummer Sicher gehen, formulieren sie im Berliner Testament eine Pflichtteilsstrafklausel. Diese besagt, dass die Kinder als Schlusserben enterbt werden, sollten sie ihren Pflichtteil nach dem Tod des ersten Elternteils beanspruchen. Die Pflichtteilsstrafklausel übt also großen Druck auf die Kinder aus, sodass diese meist bevorzugen, Schlusserben zu bleiben, anstatt den Pflichtteil geltend zu machen. Achtung: Ohne Pflichtteilsstrafklausel ist der überlebende Ehegatte in einer sehr unbequemen Situation. Ohne diese Klausel steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder ihren Pflichtteil beim ersten Erbfall beanspruchen. Das kann den überlebenden Ehegatten große finanzielle Schwierigkeiten bereiten.
Vollerbe, Schlusserbe und Erbschaftssteuer
Die Einsetzung eines Voll- sowie Schlusserben ist steuerrechtlich meist problematisch, sofern der Nachlasswert hoch ist. Es kommt nämlich zu zwei Erbfällen:
1. beim Tod des Erblassers und
2. beim Tod des überlebenden Ehegatten.
Dazu kommt, dass die Kinder als Schlusserben oft eine höhere Steuerlast trifft, als den überlebenden Elternteil. Das Vermögen des Erstversterbenden und des Letztversterbenden verschmilzt ja in eine Einheit, weshalb die Kinder eine große Vermögensmasse erben können. Beispiel: Der überlebende Ehegatte Martin erbt von seiner verstorbenen Ehegattin Eva einen Nachlass im Wert von 450.000 Euro. Weil der Ehegatten-Freibetrag 500.000 Euro beträgt, muss Eva keine Erbschaftssteuer zahlen.
Eva hat nur ein geringes Eigenvermögen von 50.000 Euro. Als sie verstirbt, hat sie nichts vom Nachlass des Erstversterbenden verbraucht. Die Kinder erben somit 500.000 Euro.
Weil der Freibetrag für Kinder bei 400.000 Euro liegt, müssen sie 100.000 Euro versteuern. Glücklicherweise konnte die Ehefrau den Freibetrag nutzen, sodass es nur zu einer Versteuerung innerhalb der Familie kommt.
Ausweg: Die Ehegatten könnten ein Supervermächtnis aussetzen. Sobald Eva erbt könnte sie ihrer Tochter ein Supervermächtnis in der Höhe von 100.000 Euro aussetzen. Dieser Betrag geht steuerfrei an die Kinder über. Gleichzeitig vermindert er das Vermögen der Mutter. Stirbt sie, gehen 400.000 Euro an die Kinder über – erneut steuerfrei.