Ist jede Ohrfeige eine Straftat?
Vor einigen Jahrzehnten galt eine Ohrfeige noch als angemessenes Erziehungsmittel. Niemand hätte einem Vater, dem ab und zu „die Hand ausrutscht“, Vorwürfe gemacht. Von einer Straftat zu reden schien in diesem Zusammenhang absurd. Diese Zeiten haben sich glücklicherweise mittlerweile geändert. Es herrscht ein breiter Konsens, dass eine Ohrfeige in keiner Situation als Kavaliersdelikt betrachtet wird. Die Begründung, provoziert worden zu sein, ändert nichts an dieser Tatsache. In der strengen Beurteilung der Ohrfeige aus rechtlicher Sicht kommt zum Tragen, dass eine Ohrfeige als sehr demütigend und ehrenrührig empfunden wird.
Eine Ohrfeige ist grundsätzlich eine Körperverletzung und deshalb nach Paragraph 223 des Strafgesetzbuches strafbar:
„Wer eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.“
§ 223 StGB
Mit dem hohen Strafmaß unterstreicht der Gesetzgeber die Einschätzung, dass eine Ohrfeige nicht bagatellisiert werden darf. In den meisten Fällen erhält ein Ersttäter eine Geld- oder Bewährungsstrafe. Im Wiederholungsfall werden jedoch oft höhere Strafen verhängt. Es gibt allerdings Ausnahmen, bei denen die Strafbarkeit entfällt (Notwehr). Außerdem differenzieren Gerichte bei der Bemessung des Strafmaßes im Hinblick auf die Intensität der Ohrfeige.
Eine „leichte Ohrfeige“, die nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit führt, wird deshalb nicht als Körperverletzung, sondern als tätliche Beleidigung bewertet. In diesem Fall findet Paragraph 185 des Strafgesetzbuches Anwendung:
„Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Im Folgenden soll anhand von Beispielen betrachtet werden, welche juristischen Konsequenzen nach einer Ohrfeige zu erwarten sind und wie sich Opfer rechtlich zur Wehr setzen können.
Sind Ohrfeigen erlaubte Erziehungsmaßnahmen?
Noch vor 50 Jahren galt eine Ohrfeige als probates Mittel der Erziehung, obwohl schon damals die körperlichen und seelischen Auswirkungen körperlicher Erziehungsmaßnahmen bekannt waren.
Hinweis:
Tatsächlich stand bis zum Jahr 1957 im Bürgerlichen Gesetzbuch, dass dem Vater das Recht zusteht, seine Kinder körperlich zu züchtigen. Auch nach dem Streichen dieses Passus galt es lange Zeit weiter als Gewohnheitsrecht, Kinder zu schlagen.
Die Folgen körperlicher Erziehungsmaßnahmen
Kinder zu ohrfeigen ist nicht nur demütigend. Wenn sich der Schlag nicht auf die Wange beschränkt, sind ernsthafte Verletzungen möglich. Schlimmstenfalls kommt es zu einer heftigen Rotationsbewegung des Kopfes, die zu einem Schädel-Hirn-Trauma führen kann. Wird dadurch eine Blutung im Schädelinnenraum verursacht, drohen bleibende Hirnschäden oder sogar der Tod. Trifft die flache Hand das Ohr, kann dies zu schwerwiegenden Verletzungen des Innenohrs führen.
Rechtliche Beurteilung von Ohrfeigen in der Kindererziehung
Eine Ohrfeige ist als Mittel der Kindererziehung nicht erlaubt. Das Argument des „leichten Klapses“ ist gefährlich, denn Ohrfeigen werden meist in einer wütenden Atmosphäre verabreicht. In einer solchen Situation verliert man schnell die Kontrolle über die Heftigkeit des Schlages – mit möglicherweise fatalen Folgen für die körperliche und psychische Gesundheit des Kindes. Seitdem am 8. November 2000 das Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung erlassen wurde, drohen schlagenden Eltern rechtliche Konsequenzen. Mit diesem Gesetz wurde manifestiert, was in Paragraph 1631 Absatz 2 des BGB steht:
„Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.“
Beispiel:
Dem Kind „die Ohren langziehen“ ist somit strafbar und wird von den Gerichten geahndet. Ein Vater aus Berlin musste beispielsweise 800 Euro Geldstrafe zahlen, weil er sein Kind zweimal geohrfeigt hat.
Darüber hinaus muss ein Elternteil, dass derartige Erziehungsmaßnahmen toleriert, ebenfalls mit einer Bestrafung wegen Beihilfe oder Anstiftung rechnen. Obwohl die juristische Einordnung der Ohrfeige als Körperverletzung eindeutig ist, soll dies nicht pauschal dazu führen, Eltern zu kriminalisieren. Aus diesem Grund wird eine einfache Körperverletzung nur dann verfolgt, wenn die Polizei oder Staatsanwaltschaft davon Kenntnis erlangt oder ein öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung besteht.
Ohrfeigen in der Schule
Lehrer und Erzieher begehen eine Straftat, wenn Sie ihre Schüler und Schutzbefohlenen ohrfeigen. Führt die Ohrfeige nicht zu einer Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens und des Persönlichkeitsrechts, muss der Pädagoge allerdings kein Schmerzensgeld bezahlen (LG Hanau, Az.: 4 O 1184/90). In den meisten Fällen müssen die Lehrer jedoch mit einem Disziplinarverfahren rechnen.
In Einzelfällen wurden Ohrfeigen durch Lehrer als Notwehr bewertet und blieben deshalb gemäß Paragraph 32 StGB straffrei. Das gilt allerdings nur, wenn kein anderes geeignetes Mittel zur Verfügung steht. Es ist also weder Eltern noch Lehrern oder Erziehern erlaubt, Ohrfeigen als Erziehungsmaßnahme einzusetzen, sie dürfen sich aber ihrerseits gegen körperliche Angriffe wehren. Diese Einschränkung ist wichtig, denn das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung soll nicht als Freibrief für gewalttätige Kinder und Jugendliche missverstanden werden.
Welche Konsequenzen haben Ohrfeigen am Arbeitsplatz?
Ohrfeigen am Arbeitsplatz werden ebenfalls als Straftat bewertet und entsprechend mit Freiheits- oder Geldstrafen geahndet. Darüber hinaus haben Ohrfeigen zivilrechtliche Konsequenzen, denn sie können den Anspruch auf Schmerzensgeld begründen oder als Kündigungsgrund gelten.
Ohrfeigen am Arbeitsplatz sind ein absolutes No-Go ganz gleich, ob es sich beim Geohrfeigten um einen Auszubildenden oder einen anderen Mitarbeiter handelt. Das Ohrfeigen des Vorgesetzten ist in jedem Fall Grund für eine fristlose Kündigung. Straftaten, die am Arbeitsplatz begangen werden, stellen nach Paragraph 626 BGB einen wichtigen Grund dar, der eine fristlose Kündigung rechtfertigt. Das gilt auch dann, wenn sich der Arbeitnehmer während einer langjährigen Betriebszugehörigkeit nie etwas zu Schulden kommen ließ. Ein Krankenpfleger, der einen Bewohner ohrfeigte, wurde nach 32 Jahren Beschäftigung fristlos gekündigt (LAG Schleswig-Holstein, 13.07.2000 – 5 Sa 240/00).
Auch die Tatsache, Betriebsratsvorsitzender zu sein, schützt nicht vor einer Kündigung. Das musste ein Mitarbeiter erfahren, der einen Kollegen während einer Betriebsfeier geohrfeigt hat und zuvor 20 Jahre ohne Beanstandungen im Unternehmen gearbeitet hatte (Arbeitsgericht Osnabrück, Az.: 4 BV 13/08).
Darüber hinaus droht die Verurteilung zu einer Zahlung von Schmerzensgeld. Das Landesarbeitsgericht Köln sprach einem Mitarbeiter, der von seinem Schichtleiter geohrfeigt wurde, ein Schmerzensgeld von 800 Euro zu (LAG Köln, Az.: 5 Sa 827/08).
Zivilrechtliche Konsequenzen von Ohrfeigen
Wie bereits erläutert, erfüllt eine Ohrfeige den Tatbestand einer Körperverletzung, denn sie kann den Betroffenen körperlich verletzen und seelisch traumatisieren. Wird der Nachweis erbracht, dass ein derartiger Schaden durch die Ohrfeige verursacht wurde, hat der Geschädigte einen Anspruch auf Schmerzensgeld. Kann man also jemanden, der einen geohrfeigt hat, anzeigen und sein Recht auf Schmerzensgeld einfordern? Wenn der Tatbestand der Körperverletzung erfüllt ist, haben Betroffene drei Jahre lang die Möglichkeit, eine Anzeige zu erstatten.
Gilt jede Ohrfeige als Körperverletzung?
Unter einer Körperverletzung wird ein erheblicher Eingriff in die (körperliche und/oder seelische) Unversehrtheit verstanden, wobei bereits der Versuch strafrechtlich verfolgt wird. Es ist dabei nicht wichtig, ob es sich um eine einfache, gefährliche, schwere oder fahrlässige Körperverletzung handelt. Als Geschädigter kann man in jedem Fall eine strafrechtliche Verfolgung verlangen. Lag eine einfache Körperverletzung (auch leichte Körperverletzung genannt) oder eine fahrlässige Körperverletzung (unabsichtlich) vor, handelt es sich dabei um ein sogenanntes Antragsdelikt.
Erst nachdem eine Strafanzeige erstattet wurde, beginnt die Polizei mit der Strafverfolgung. Bei einer gefährlichen oder schweren Körperverletzung spricht man von einem Offizialdelikt, das auch ohne Anzeige oder Zustimmung des Geschädigten von der Staatsanwaltschaft verfolgt wird.
Wann steht dem Geschädigten ein Schmerzensgeld zu?
Um Schmerzensgeld zu erhalten, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
1. Vorliegen einer physischen oder psychischen Misshandlung
2. Vorsätzliche oder fahrlässige Handlung des Schädigers
3. Vorhandensein von wesentlichen immateriellen Schäden auf Seiten des Geschädigten
Wie kann man einen Schaden nachweisen?
Der Geohrfeigte muss seiner Beweispflicht nachkommen und beweisen, dass die Ohrfeige Ursache des Schadens und eventueller Folgeschäden ist. Um Ansprüche zu begründen, sollte man also die Schäden dokumentieren. Das kann mittels einer polizeilichen Schadensaufnahme, ärztlichen Dokumentation, Sachverständigengutachten oder Zeugenaussagen geschehen.
Wann verjährt ein Anspruch auf Schadensersatz?
Gemäß Paragraph 195 BGB tritt die Verjährung drei Jahre nach dem Ende des Jahres, in dem es zum Schaden kam, ein. Diese Frist wird durch die Verhandlung unterbrochen und läuft erst drei Monate nach der Verkündigung des Urteils weiter. In schwerwiegenden Fällen, wenn nicht absehbar ist, welche Spätfolgen eintreten werden, verlängert sich die Verjährungsfrist sogar auf bis zu 30 Jahre. Nach Ende der Verjährungsfrist erlöschen alle Ansprüche.
Welche Faktoren beeinflussen die Höhe des Schmerzensgelds?
Es ist in jedem Fall sinnvoll, die Höhe der Schmerzensgeldforderung mit einem Anwalt abzusprechen. Wenn ein übermäßig hohes Schmerzensgeld gefordert wird, kann das Gericht die Absicht der Bereicherung unterstellen und mit dieser Begründung den Anspruch abweisen.
Die folgenden Faktoren wirken sich auf die Höhe des Schmerzensgelds aus:
1. Schwere der Tat
2. Ausmaß der Verletzung
3. Umfang der medizinischen Behandlung
4. Dauer der Behandlung bis zur vollständigen Genesung
5. Etwaiges Mitverschulden des Geschädigten
6. Einschränkungen bei der Ausübung des Berufs
7. Einschränkungen im Privatleben
8. Folgekosten
9. Vermögensverhältnisse
Wie kann man nach einer Ohrfeige den Anspruch auf Schmerzensgeld durchsetzen?
Dem Geschädigten stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. In vielen Fällen ist es möglich auf dem Wege der außergerichtlichen Verhandlung den Anspruch durchzusetzen. Um der Forderung Nachdruck zu verleihen, sollte man für die Verhandlungen die Unterstützung eines Anwalts nutzen. Werden auf diesem Weg keine Ergebnisse erzielt, bleiben die Optionen Schmerzensgeld im Rahmen eines Zivilprozesses oder eines Strafprozesses zu fordern. Der Zivilprozess beschäftigt sich ausschließlich mit der zivilrechtlichen Forderung nach Schmerzensgeld.
Im Strafprozess geht es um die Feststellung des Strafmaßes, mit dem der Schädiger bestraft wird. In dieses Urteil kann jedoch die zivilrechtliche Forderung aufgenommen werden. Voraussetzung für den Strafprozess ist eine Anzeige der Ohrfeige bei der Polizei. Betroffene haben bis zu drei Monate Zeit, die Tat anzuzeigen.
Kann man eine Strafanzeige zurücknehmen?
Eine Strafanzeige kann im Gegensatz zu einem Strafantrag nicht zurückgenommen werden. Die Strafanzeige, also das Anzeigen einer Straftat, bewirkt, dass die Polizei ermittelnd tätig wird. Der Strafantrag wird ergänzend zur Strafanzeige vom Geschädigten gestellt, wenn dieser damit ausdrücken möchte, dass eine Verfolgung der Straftat gewünscht wird. Es ist abhängig von der Schwere des Delikts, ob der Strafantrag zurückgenommen werden kann. Eine Ohrfeige ist in den meisten Fällen ein absolutes Antragsdelikt, das ohnehin nur verfolgt wird, wenn ein Strafantrag vorliegt. Zieht man als Geschädigter den Strafantrag zurück, fehlt die Verfahrensvoraussetzung für einen Strafprozess und somit wird das Verfahren eingestellt.
Bei häuslicher Gewalt liegt jedoch ein Offizialdelikt oder ein relatives Antragsdelikt vor. Bei einem Offizialdelikt werden trotz Rücknahme des Strafantrags die Ermittlungen fortgeführt, da ein öffentliches Interesse besteht. Ohrfeigen werden meist als einfache Körperverletzung bewertet und damit liegt ein relatives Antragsdelikt vor. In diesen Fällen wird die Frage der Weiterverfolgung als Einzelfall entschieden. Die Rücknahme des Strafantrags führt in Fällen von häuslicher Gewalt also nicht zwingend dazu, dass die Ermittlungen eingestellt werden.