Mundraub – strafbar oder erlaubt?

Rechtsanwalt

Bis Mitte der 70er Jahre war Mundraub ein eigener Straftatbestand. Welche Regelungen gelten heute und ist es verboten, einen Maiskolben vom Feld oder einen Apfel vom Apfelbaum des Nachbarn zu pflücken? Welche Möglichkeiten bietet eine Mundraub App, um Verschwendung zu vermeiden?

Apfel pflücken vom Apfelbaum
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Was ist Mundraub?


‌Mundraub ist ein umgangssprachlicher Begriff, der im 18. Jahrhundert entstand. Der Begriff Mundraub wurde in Deutschland in § 370 des Strafgesetzbuches bis Mitte der 1970er Jahre für eine Verbrauchsmittelentwendung in geringem Ausmaß, die zum baldigen Verzehr bestimmt war, benutzt. Es handelte sich dabei um einen eigenen Straftatbestand, der jedoch aufgrund des geringen Wertes der entwendeten Lebensmittel nur milde geahndet wurde. Seit Anfang 1975 gibt es diesen Straftatbestand nicht mehr. Das bedeutet nicht, dass es mittlerweile erlaubt ist, Lebensmittel in geringem Umfang zu stehlen. Das Entwenden von Lebensmitteln gilt als Diebstahl und fällt somit unter den § 242 des Strafgesetzbuches. Die Strafrechtsreform führte also sogar zu einer Verschärfung der Strafbarkeit.

Beispiele für Mundraub


‌Obwohl der Begriff Mundraub aus dem deutschen Strafrecht verschwunden ist, wird er umgangssprachlich weiterhin genutzt. Wenn ein Tatbestand beschrieben wird, bei dem Lebensmittel zum eigenen Verzehr entwendet werden, spricht man nach wie vor von Mundraub. Ein Beispiel dafür ist das Pflücken von Obst auf einer zugänglichen Streuobstwiese eines Landwirts, aber auch das heimliche Ernten der Äpfel des Nachbarn, dessen Apfelbaum in den eigenen Garten ragt. Der Tatbestand des Mundraubs ist des Weiteren erfüllt, wenn man im Supermarkt Obst probiert, um sich von Geschmack und Frische zu überzeugen.

Wie wird Mundraub heute im Gesetz geregelt?


‌Wenngleich der Begriff Mundraub aus dem Strafgesetzbuch verschwunden ist, bleibt die Handlung als solche dennoch strafbar. Mundraub fällt unter § 242 Strafgesetzbuch und erfüllt den Straftatbestand des Diebstahls. Grundsätzlich kann Mundraub somit mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet werden. Ob eine Bestrafung stattfindet und welche Strafe verhängt wird, hängt von den Umständen ab, unter denen der Mundraub begangen wurde und dem Wert der entwendeten Lebensmittel. 

‌Wurde für das Abschneiden eines Apfels vom Baum beispielsweise ein Messer verwendet und fühlte sich der Nachbar bedroht, kann die Anklage sogar auf bewaffneten Diebstahl lauten. Wenn Sie den Apfel nicht vom Ast pflücken, der auf Ihr Grundstück ragt, sondern eine eingezäunte Fläche betreten, kann dies wiederum als Hausfriedensbruch bewertet werden.
 

 

Diebstahl 

‌(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. 

‌(2) Der Versuch ist strafbar.

 

‌§ 242 StGB

Wird Mundraub strafrechtlich verfolgt?


‌Der wirtschaftliche Schaden von Mundraub hält sich üblicherweise in Grenzen. Es besteht deshalb kein Interesse der Allgemeinheit an einer Strafverfolgung, sodass die Staatsanwaltschaft nicht tätig wird. Es wäre zu aufwendig, diese vergleichsweise harmlosen Diebstahlsdelikte zu verfolgen. In § 246 des Strafgesetzbuches ist festgelegt, dass es sich beim Diebstahl geringwertiger Güter um Antragsdelikte handelt. In diesem Fall gilt das Prinzip „Nullo actore, nullus iudex“ (Wo kein Kläger, da kein Richter). 

‌Die Strafverfolgungsbehörden werden erst tätig, wenn der Geschädigte einen Strafantrag stellt. Der Strafantrag ist wiederum die Grundlage für die spätere Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche. Doch auch wenn der Geschädigte einen Strafantrag stellt, wird nicht in jedem Fall ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Bemisst sich der Schaden auf weniger als 50 Euro, wird der Fall wegen Nichtigkeit ad acta gelegt. Mundraub führt in den meisten Fällen aufgrund des niedrigen Schadens und der Tatsache, dass ein Strafantrag durch den Geschädigten erforderlich ist, nicht zu einer Verurteilung.

 

Diebstahl und Unterschlagung geringwertiger Sachen 

‌Der Diebstahl und die Unterschlagung geringwertiger Sachen werden in den Fällen der §§ 242 und 246 nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.

 

‌§ 248 StGB

Zivilrechtliche Ansprüche des Geschädigten


‌Das Eigentum ist ein im Zivilrecht besonders geschütztes Rechtsgut. Wer anderen deren Eigentum entzieht, kann zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt werden. In diesem Fall kommt § 823 Absatz 1 und 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in Verbindung mit § 242 Strafgesetzbuch (StGB) zur Anwendung. Da die Schadensersatzhöhe in Abhängigkeit zum entstandenen Schaden festgelegt wird, wird diese sehr niedrig und damit gerichtlich nicht durchsetzbar sein. 

‌Dennoch ist Mundraub kein Kavaliersdelikt, sondern kann mit Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet werden. Der Sachverhalt des Mundraubs führt regelmäßig zu Nachbarschaftsstreitigkeiten, die vor Gericht ausgetragen werden. Wenn Sie von Ihrem Nachbarn des Diebstahls beschuldigt werden, weil Sie beispielsweise ungefragt Äpfel gepflückt haben, sollten Sie sich sofort an einen Anwalt für Strafrecht wenden. Der Rechtsanwalt wird die Umstände der Tat genau analysieren und sich bemühen, eine gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden. Gelingt dies nicht, ist es umso wichtiger, die eigenen Interessen vor Gericht durch einen kompetenten Strafverteidiger vertreten zu lassen.

 

Kündigung wegen Mundraub?


‌Da Mundraub keinen großen wirtschaftlichen Schaden verursacht, bleibt die Tat üblicherweise straffrei. Geschieht der Mundraub jedoch am Arbeitsplatz, sind die Folgen wesentlich drastischer. Im schlimmsten Fall droht die fristlose Kündigung. Der arbeitsrechtliche Grundsatz „Wer klaut, fliegt“, hat dazu geführt, dass immer wieder von Fällen berichtet wird, bei denen eine Kündigung wegen des Diebstahls eines Brötchens oder eines anderen geringwertigen Guts erfolgte. Die Rechtsprechung beurteilt jeden Fall differenziert. Oft entsteht der Verdacht, dass der Mundraub als Anlass begrüßt wurde, um das Arbeitsverhältnis zu beenden. 

‌Das Landesarbeitsgericht Hamburg urteilte beispielsweise in deinem derartigen Fall, dass eine vorherige Abmahnung erfolgen muss (LAG Hamburg, 30.7.2014, Az. 5 Sa 22/14). Im Gegensatz dazu wurde das widerrechtliche Erstellen eines Pfandbons in Höhe von 3,25 Euro als Kündigungsgrund vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf bestätigt, weil es sich in diesem Fall um einen erheblichen Vertrauensbruch handelt (LAG Düsseldorf, Urteil vom 7.12.2015, Az. 7 Sa 1078/14). Wenn Ihnen der Diebstahl eines geringwertigen Gutes am Arbeitsplatz vorgeworfen wird, sollten Sie sich umgehend an einen kompetenten Anwalt wenden, um sich zu verteidigen.

Mundraub statt Verschwendung: In welchen Fällen darf man Obst ernten?


‌Dass es nicht erlaubt ist, den Garten des Nachbarn zu betreten, um dort ohne dessen Einverständnis Obst zu ernten, ist den meisten Menschen klar. Wie verhält es sich jedoch bei Obstbäumen, die am Wegesrand und nicht auf einem privaten Grundstück stehen? Wer sicher gehen möchte, dass er sich nicht strafbar macht, kann interaktive Karten auf Websites wie Kostenlos.de nutzen, die im Internet veröffentlicht werden. 

‌Auf diesen Karten werden Obstbäume und Obststräucher vermerkt, bei denen es sich um kommunales Eigentum handelt. Die Ernte ist nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht, damit die Früchte nicht verschwendet werden. Privatpersonen können ihre Obstbäume und -sträucher ebenfalls auf den Karten markieren lassen. Das empfiehlt sich, wenn man mehr Früchte erntet, als man selbst nutzen oder verarbeiten kann. Unter den Begriffen Mundraub App oder Zero Waste App finden Sie im Internet mobile Anwendungen und können sich unterwegs jederzeit vergewissern, ob ein Baum oder Strauch für die Allgemeinheit freigegeben ist.

Mundraub – Recht einfach erklärt